PETER HAIMERL . ARCHITEKTUR

Domcenter Linz

Der neogotische Dom in Linz gehört zu den größten und ehrgeizigsten Kirchenbauwerken in Österreich. Er wurde von 1865-1924 errichtet. 2024 feiert die Diözese das hundertjährige Jubiläum der Kathedrale.

In den letzten Jahren hat sich die Lage der katholischen Gemeinden jedoch dramatisch verändert: Die Zahlen der Kirchenmitglieder schrumpfen, die Akzeptanz gegenüber den kirchlichen Institutionen schwindet und die Kirche verliert zunehmend an gesellschaftlicher Relevanz.

Doch während viele Kirchengemeinden versuchen, diesem Problem durch Einsparmaßnahmen, durch Verkäufe sowie Profanisierung von sakralen Räumen zu begegnen, agiert die Erzdiözese Linz progressiv und innovativ: auf der Basis des erfolgreichen Wirkens der Pfarrgemeinde im seelsorgerischen, künstlerischen und sozialen Bereich positioniert sich diese auch architektonisch neu: Mit dem neuen Domcenter an der Ostseite des Domes werden bereits begonnene Umstrukturierungsmaßnahmen, wie z.B. die Schaffung eines sich zur Stadt Linz hin öffnenden Platzes weitergeführt.

Mit dem neuen Domcenter ist gleichzeitig ein niederschwelliger, weltlicher Eingang in die Kirche entstanden, der an Willkommensbereiche kultureller Institutionen wie Konzertsäle oder Museen erinnert: das Domcenter empfängt die Kommenden mit einem hellen, freundlichen und modernen Café sowie einem einladenden Bookshop. Von diesem aus werden die Besuchenden über die ehemalige Sakristei der Ostkapelle zum liturgisch korrekten Eingangsbereich der Wegekirche im Norden geleitet.

Im Domcenter starten die Führungen durch den Dom. Neben vielen multimedialen Angeboten sowie der Präsentation von Originalen innerhalb des Kirchenschiffes findet sich in der seitlichen Ostkapelle die Ausstellung des Domschatzes. Entlang einer zweigeschossigen, begehbaren Ausstellungsarchitektur werden zum einen Inhalte zu
den sakralen, liturgischen, pastoralen und kulturellen Dimensionen des Kirchenbaus in analoger und digitaler Form vermittelt, zum anderen wertvolle Kunstwerke präsentiert.

Eine interaktive Vitrine und ein interner Lift, der die Besuchenden auf die Fensterebene der ehemaligen Kapelle hebt, bieten neue Einblicke in historische kirchliche Kunst.
Der Grundriss der Domschatz-Vitrine ist eine sogenannte Einsteinplatte. Die Grundform des „Einsteins“ kann lückenlos ohne starre Wiederholungen zusammengefügt werden. Dieses Motiv findet sich in allen Ausstellungsvitrinen innerhalb des Domes und auch im neuen Domcenter.

Das Domcenter an der Ostseite knüpft formal an die Tradition von leichten Zeltdächern und hinsichtlich des Ortes an historische Marktbuden an. Das neue Domcenter besteht aus drei Baldachinen, die wie von der Fassade des Domes abgehängt wirken. Ihre Form erinnert an die umgekehrte Form der Gewölbekonstruktionen, so wirken sie sehr leicht. Entsprechend zur wertigen steinernen Hülle des Domes wurde eine technologisch höchst anspruchsvolle, frei geformte Betonkonstruktion gewählt. Diese ermöglicht eine schlanke Profilierung und der effektive Materialverbrauch minimiert den CO2-Verbrauch. Im Lauf seiner Lebenszeit speichert der Beton fast das gesamte, während der Produktion freigesetzte CO2.
Aus denkmalpflegerischen Gründen durfte der Anbau an keiner Stelle konstruktiv mit dem Dom verbunden werden. Deshalb stehen die drei Schalenkonstruktionen auf jeweils einer Stütze.

Die Schalen ragen vor der Fassade nach oben und nähern sich dabei der Fassade des Domes, ohne ihn zu berühren. Die Baldachinstützen übernehmen lediglich Zugfunktionen, um ein Kippen zum Dom zu verhindern.
Die Konstruktion der Baldachine besteht aus einer Doppelschale: die untere, tragende Schale ist dreidimensional gekrümmt, um im Inneren eine weiche, angenehme Atmosphäre zu schaffen. Die obere, auf einer Zwischendämmung aufgelegte Schale ist nur zweidimensional gebogen und entspricht somit der Umkehrung der zweidimensionalen Spitzgewölbe in den Seitenschiffen des historischen Domes.
Der Innenraum des Domcenters mit seinem Café und Info- und Book-Point wird durch einen geraden Tresen definiert, der die Besuchenden zu verschiedenen Funktionen leitet.

Das Domcenter kann auch als Versammlungsraum und Treffpunkt für kirchliche und nichtkirchliche Veranstaltungen genutzt werden. Der gesamte Bereich des Domcenters und des auskragenden Baldachindaches sowie die ehemalige Sakristei sind unterkellert. Dort sind Technik, WCs, Spinde und Lagerräume untergebracht. Diese Räume werden mit einer Treppe und mit einem Lift erschlossen. Dieser Lift verbindet alle drei Ebenen: Kirchenebene, Platzebene und Keller barrierefrei miteinander und ermöglicht ein Zuschalten von verschiedenen Indoor- und Outdoor-Aktivitäten.
Mit dem neuen Domcenter erhält der Dom in Linz eine Ergänzung, die die kirchlichen Bereiche um einen weltlichen Service-Bereich bereichert. Gleichzeitig wird der Platz an seiner bisher unattraktivsten Stelle aktiviert und es entsteht ein neuer Anziehungspunkt für die Besuchenden.

Bauherr:in: Bischof-Rudiger-Stiftung
Architekt: PETER HAIMERL . ARCHITEKTUR
Mitarbeiter: Gernot Baumann, Felix Mayer-Sternberg
Dombaumeister: Michael Hager
Bauleitung: Studio Clemens Bauder
Statik: DI Weilhartner ZT GmbH
Fertigstellung: April 2024
Fotos: Edward Beierle, Gregor Graf